Aufgrund der vielschichtigen Herausforderungen zeigt sich die Notwendigkeit, vor der Entwicklung und Einführung neuer digitaler Systeme, die Gelingensbedingungen solcher Systemeinführungen im Gesundheits- und Pflegebereich bereits in der beruflichen Ausbildung in einer Mehrebenenuntersuchung zu betrachten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse, in Form von Gestaltungsrichtlinien, in eine Theorie münden zu lassen, welche die soziologische, kulturelle und strukturelle Perspektive berücksichtigt. Das Ziel des Projektvorhabens „DiMediCa“ sind empirische Untersuchungen zu Gelingensbedingungen für die Implementierung und Nutzung von digitalen Anwendungen in Bildungseinrichtungen im Gesundheits- und Pflegebereich zur Förderung digitaler Kompetenzen unter expliziter Einbeziehung einer gender-orientierten Perspektive.
Um dieses Ziel zu erreichen, teilt sich das Verbundprojekt in folgende Teilprojekte:
Strukturelle und kulturelle Perspektive: Welche organisationalen und kulturellen Strategien unterstützen die Implementation digitaler Anwendungen in der beruflichen Bildung im Gesundheits- und Pflegebereich?
Für die Implementierung und Nutzung digitaler Anwendungen ist die Identifikation der kulturellen und organisationalen Widerstände sowohl in den Berufsfachschulen des Gesundheits- und Pflegewesen, als auch in den für den praktischen Teil der Ausbildung verantwortlichen Institutionen (z.B. Lehrkrankenhäuser, Altenpflegeheime, Pflegedienstleister) im Gesundheits- und Pflegewesen erforderlich. Durch eine Ist-Analyse, welche durch qualitativen problemzentrierten Interviews angereichert wird, wird der benötigte Ist-Zustand sowie Problemstellungen auf der strukturellen Ebenen erhoben. Die aus den Ergebnissen abgeleiteten Thesen münden in zu entwickelnde Strategien zum Umgang mit den erhobenen Hürden und Hemmnissen, welche erprobt werden. Durch eine komplementäre Bildinterpretation in Anlehnung der dokumentarischen Methode (Bohnsack 2003) wird darüber hinaus aus einer gendersensiblen Perspektive zusätzlich untersucht, wie Berufsfachschulen und die entsprechenden Ausbildungsorganisationen die Digitalisierung vorleben. Grundlage dafür bildet veröffentlichtes Datenmaterial (Flyer, Homepage, Veröffentlichungen) der Organisationen. Die Methode der dokumentarischen Bildinterpretation verspricht in diesem Zusammenhang einen breiten und schnellen Erkenntnisgewinn über das Vorleben der Digitalisierung in den Organisationen, da jene kulturelle Orientierung in dem Material dokumentiert ist. Ziel ist eine national-vergleichende Untersuchung mit Österreich und Russland.
Soziologische Perspektive: Welche Gestaltungskriterien müssen personalisierte Lehr-Lernumgebungen aufweisen?
Zur erfolgreichen Implementierung und Nutzung digitaler Anwendungen in der beruflichen Ausbildung im Gesundheits- und Pflegebereich ist eine optimale, gendersensible Gestaltung von virtuellen und realen Lehr-Lernorten und Technologien eine zwingende Gelingensbedingung. Dafür ist eine empirische Untersuchung zur Wahrnehmung und Umgang mit digitalen Anwendungen aus individueller Perspektive notwendig. Durch eine empirische Untersuchung wird sichtbar gemacht, welche Ansichten, Herausforderungen und Unsicherheiten über den Einsatz von digitalen Anwendungen im Lern- und Berufsumfeld im Gesundheits- und Pflegebereich herrschen. Durch ein Mixed-Methods-Design aus qualitativen und quantitativen Erhebungsinstrumenten werden wahrgenommene und tatsächliche Hürden von Schüler/innen beim Umgang mit digitalen Anwendungen sichtbar gemacht. Dabei führen qualitative problemzentrierte Interviews und Beobachtungen zu einer Hypothesengenerierung, welche in einem quantitativen Fragebogen münden, welcher bundesweit eingesetzt wird. Die aus den Studien gewonnenen Ergebnisse dienen als Grundlage für die Erarbeitung von Strategien zur Anwendung von digitalen Medien und IKT in der beruflichen Ausbildung im Gesundheits- und Pflegesektor.
Medienkompetenzförderung
Im Zentrum des Teilprojekts C steht die Frage des Digitalisierungspotentials in der Pflege und den damit verbundenen Anforderungen an die Auszubildenden unter dem Fokus einer geschlechtersensiblen Betrachtung. Die daraus resultierende Forschungsfragen lauten: „Welche Medienkompetenzen besitzen Auszubildende im Gesundheits- und Pflegebereich in Sachsen- Anhalt?“ (C1) und „Wie werden Medienkompetenzen in der Lehre und in der Praxiserfahrung der Auszubildenden abgebildet bzw. gefördert?“ (C2). Zur Untersuchung der ersten Fragestellung (C1) erfolgt eine Messung der digitalen Kompetenz mittels einer quantitativen Studie mit dem GTCU-Erhebungsinstrument. Das Erhebungsinstrument wird ergänzt mit einem Fragebogen für die Abbildung der geschlechterspezifischen Wahrnehmung. Die Erhebung findet statt unter den Auszubildenden des Gesundheits- und Pflegesektors in Sachsen-Anhalt. Im Forschungsinteresse (C2) steht das Erkenntnissinteresse über die Integration von Innovationen hinsichtlich der Förderung digitaler Kompetenzen von Auszubildenden des Gesundheits- und Pflegebereichs. Hierfür werden Digitalisierungsprozesse in den Berufsfachschulen gemeinnütziger Träger mit Praxiszugang (Caritas, Johanniter) verglichen mit denen freier Träger, die keine eigenen Pflege- oder Gesundheitsdienste außerhalb der Ausbildung anbieten. Eine randomisierte Auswahl der GTCU Erhebung unterläuft einer qualitativen Untersuchung (Facereader Emotion, Eyetracking) der digitalen Kompetenzen anhand angewendeter Ausbildungssoftware und allgemeiner digitaler Anwendungsprodukte für den Fachbereich (z.B. digitale Patientenakte). Die individuelle Softwarenutzung zur Ausbildung an den Berufsfachschulen wird damit Grundlage einer Interventionsstudie, die darstellt, welche Unterschiede in den Strategien der Digitalisierung bei den Berufsfachschulen hinsichtlich ihres Erfolgs bestehen.